Der Moment, der alles veränderte – Unsere ersten Tage nach der Diagnose
Es gibt Tage im Leben, die sich tief in die Seele brennen. Tage, die man niemals vergisst, weil sie einen in Sekunden aus der Normalität reißen und in eine völlig neue Realität katapultieren. Der Tag, an dem wir erfuhren, dass unsere Tochter Elisa an Pyruvat-Dehydrogenase-Mangel leidet, war genau so ein Tag.

“Nur noch ein letzter Test” – Wie alles begann
Elisa war kurz vor ihrem ersten Geburtstag, als wir begannen, uns mit ihrer Entwicklung genauer zu beschäftigen. Sie krabbelte noch nicht, nutzte ihre linke Körperhälfte weniger als die rechte, hatte eine Fußfehlstellung und eine leichte Kopfasymmetrie. Doch für uns war sie einfach perfekt. Ein Sonnenschein, eine Bereicherung für unser Leben. Wir wollten sie nicht unter Druck setzen, nicht vergleichen – ihr einfach die Zeit geben, die sie brauchte.
Trotzdem begannen wir mit Untersuchungen. Wir besuchten einen Spezialisten in Bochum, starteten mit Physiotherapie und bekamen eine Überweisung zum Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) sowie zur Frühförderstelle – Begriffe, die für uns damals völlig fremd waren. Die Frühförderstelle war der erste Ort, an dem man uns sagte: “Da stimmt etwas nicht.” Und im SPZ fiel dann ein Wort, das uns den Boden unter den Füßen wegzog: Behinderung.
Unsere Tochter, behindert? Nein. Das passte nicht. Elisa war langsamer als andere Kinder, ja. Aber behindert? Sie war doch einfach nur sie selbst.
Die Ärzte schickten uns zu einem Humangenetiker. Dort wurde Elisa auf verschiedene genetische Syndrome untersucht, unter anderem das Angelman-Syndrom. Die Wartezeit auf das Ergebnis zog sich über Wochen – sechs endlose Wochen voller Unsicherheit. Dann die Erleichterung: keine Auffälligkeiten. Kein Angelman-Syndrom, keine genetische Veränderung.
Wir atmeten auf. Für uns war das Thema damit abgeschlossen. Elisa war einfach nur individuell, ihre Entwicklung eben etwas anders.

Doch unsere neue Kinderärztin, der wir unglaublich dankbar sind, dass sie nicht locker gelassen hat, hatte eine andere Idee. Sie kannte einen Humangenetiker, der meinte, dass die bisherigen Untersuchungen nicht in die richtige Richtung gegangen waren. Er schlug einen weiteren Test vor – einen Test, bei dem nicht nur Elisa, sondern auch mein Mann und ich Blut abgeben mussten, um die gesamte genetische Konstellation zu untersuchen.
Wir zögerten. Wollten wir das wirklich wissen? Was, wenn einer von uns schuld war? Was, wenn wir erfuhren, dass wir etwas vererbt hatten, das Elisa krank gemacht hatte?
Nach schlaflosen Nächten entschieden wir uns: Wir machen diesen letzten Test. Und dann ist Schluss.
Der Tag der Diagnose – Ein Albtraum in schwarz-weißen Buchstaben
Sechs bis acht Wochen später kam dann ein Anruf. Unsere Kinderärztin war krank aber die Praxismitarbeiterin wollte uns nicht länger warten lassen und teilte mit, dass das Ergebnis vorliegt. Wir trafen die Entscheidung: Ohne Termin. Ohne Erklärung. Einfach ein Brief , mit einer Diagnose, die wir nicht kannten:
Pyruvat-Dehydrogenase-Mangel.
Wir hatten niemanden, der uns erklärte, was das bedeutete. Also taten wir das, was jeder tun würde: Wir googelten.
Und was wir fanden, riss uns in ein Loch aus Angst, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.
Die ersten Treffer sprachen von:
❌ schweren körperlichen und kognitiven Beeinträchtigungen
❌ schlechten Prognosen für die Lebenstauglichkeit
❌ einer Lebenserwartung von deutlich unter zehn Jahren
Wir lasen Erfahrungsberichte von Eltern, deren Kinder mit dieser Krankheit nicht einmal ein Jahr alt wurden. Wir lasen, dass Kinder mit dieser Krankheit scheinbar gesund in den Kindergarten gingen – und plötzlich verstarben.
An diesem Montagabend, in unserem Esszimmer, brach unsere Welt zusammen.
Wir weinten, wir schrien, wir konnten nicht atmen vor Angst. Was, wenn unsere Tochter nicht alt wird? Was, wenn ihr etwas passiert?
Zum ersten Mal fühlten wir eine Art von Schmerz, die sich nicht in Worte fassen lässt. Es war nicht nur Trauer. Es war Verzweiflung. Es war Ohnmacht. Es war Wut.
Ein kleiner Lichtblick – Eine Therapie ohne Medikamente
Dann lasen wir weiter. Und zwischen all den niederschmetternden Informationen tauchte ein Hoffnungsschimmer auf: Die ketogene Ernährung.
Kein Medikament. Keine Heilung. Aber eine Chance.
Wir erfuhren, dass das Gehirn eines gesunden Menschen seine Energie aus Glukose (Zucker) gewinnt. Doch bei Pyruvat-Dehydrogenase-Mangel kann Elisa diesen Zucker nicht richtig verarbeiten. Ihr Gehirn bekommt also nicht genug Energie, um sich zu entwickeln.
Die Lösung? Fett!
Durch die ketogene Ernährung kann ihr Gehirn lernen, anstelle von Zucker Ketone als Energiequelle zu nutzen. Und es gab Berichte, die zeigten: Kinder mit dieser Krankheit konnten sich besser entwickeln, wenn sie diese spezielle Ernährungsform konsequent einhielten.
In diesem Moment war uns klar: Wir müssen sofort loslegen.
Wir wussten nichts über die ketogene Ernährung. Keine Details, keine genauen Berechnungen – nur, dass es unsere einzige Chance war. Also begannen wir noch in derselben Nacht, alles zu lesen, was wir dazu finden konnten.
Es war der Beginn eines neuen Kapitels. Ein Kapitel voller Unsicherheiten, voller Fehler, voller Lernprozesse – aber auch voller Hoffnung.
Dieser Abend war der schlimmste unseres Lebens. Aber er war auch der Moment, in dem wir beschlossen, nicht aufzugeben. Elisa ist unser Kind. Unser Wunder. Und wir tun alles, damit sie die bestmögliche Zukunft hat.
Heute, fast ein Jahr später, wissen wir so viel mehr. Wir wissen, dass Prognosen aus dem Internet nicht immer die Wahrheit sind. Wir wissen, dass Elisa nicht definiert ist durch ihre Krankheit. Wir wissen, dass sie gute Chancen hat und sehr stabil ist. Wir wissen, dass sie ein glückliches Leben führen kann – mit unserer Unterstützung, mit der richtigen Ernährung, mit all der Liebe, die wir ihr geben können.
Ja, wir haben Angst – jeden Tag. Ja, wir kämpfen jeden Tag. Aber wir haben auch gelernt, dass Hoffnung stärker ist als jede Statistik.
Sie ist unsere Tochter. Unser Herz. Unsere Welt.
Ein Jahr voller Lernen, Fehler und Erkenntnisse
In den letzten fast zwölf Monaten haben wir so viele Erfahrungen gesammelt – wunderschöne und schreckliche Momente erlebt. Unser Leben hat sich vollkommen verändert. Wir mussten ganz neu lernen, wie wir unser Kind ernähren. Jedes Gramm Fett, jedes Milligramm Kohlenhydrate, jede Mahlzeit – alles muss genau berechnet werden. Und ja, wir haben viele Fehler gemacht. Aber wir haben auch so unglaublich viel gelernt.
Wir haben gelernt, was wirklich wichtig ist im Leben. Gesundheit, Familie, Liebe – alles andere ist nebensächlich. Wir haben gelernt, dass wir weiterleben dürfen und müssen. Dass wir nicht nur für Elisa stark sein müssen, sondern auch für uns selbst.
Warum wir Butter & Avocado gegründet haben
Genau deshalb haben wir Butter & Avocado ins Leben gerufen. Wir wissen, wie schwer es ist, sich all die wichtigen Informationen mühsam selbst zusammenzusuchen. Wir haben erlebt, wie viele Fragen unbeantwortet bleiben und wie viele Unsicherheiten es gibt. Mit Butter & Avocado wollen wir all unsere Erfahrungen teilen – die guten und die schwierigen. Wir möchten einen Ort schaffen, an dem Wissen übersichtlich, verständlich und gebündelt zur Verfügung steht. Ein Ort, an dem Familien wie wir Unterstützung finden, ohne sich in endlosen Recherchen zu verlieren. Denn niemand sollte diesen Weg alleine gehen müssen.
